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Hello zur 26. Newsletter-Ausgabe von Hören/Sagen!
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Viel herumgereicht wurde der Bloomberg-Artikel "Podcasting Hasn’t Produced A New Hit in Years: The average podcast in the top 10 is more than seven years old." Wie immer ist der an sich lesenswerte Artikel bei weitem nicht so schlimm, wie die Überschrift vermuten lässt – im Text stehen auch durchaus Thesen, die ich teile.
"People sometimes compare podcasting to TV in that there are always new shows to try. That is true on the narrative side. But the most popular podcasts aren’t narrative shows, for the most part. They are talk and news programming – known as “always on” shows.
Nichtsdestotrotz habe ich ein kleines Problem mit dem Unterton, der beim Vergleich zu Fernsehen, Radio und professionellen Medienstrukturen ("executives") mitschwingt:
"So even though podcasting presents itself as an alternative to radio – a more modern version of radio — several executives said the industry would need to learn from radio to navigate its new reality."
Erstens: Nur ein Teil der Landschaft verfolgt Podcasts als Alternative zum Radio, als modernes Radio. Das gilt in Deutschland noch viel stärker als in den USA. Podcasts machen, um Massen zu erreichen: Das versuchen gerade eher die Radiosender, Verlage und Plattformen. Und so wundert es nicht, dass in Deutschland sich Menschen aus dem Radio den nächsten großen "Always on"-Formathit wünschen, und Verlage wie Plattformen hautpsächlich auf regelmäßige Dauerformate setzen. Viel hilft viel, schalten Sie auch nächste Woche wieder ein, unsere Werbekunden und Reichweitenanalysen freuen sich.
Wir dürfen dabei nicht vergessen: Die meisten Podcaster*innen mit ihren kleinen und mittelgroßen Projekten denken aber nicht in quantitativen Reichweiten (weil die 2022 eh schwerer denn je zu erreichen sind, da hat der Bloomberg-Text wiederum recht). Sondern in qualitativen Beziehungen zu Themen und Hörer*innen. Auch wenn uns die wachsende Werbeblase etwas anderes vermitteln will: Nicht alle Podcasts und ihre Podcaster*innen ticken wie ein werbefinanziertes Breitenmedium.
Und ich bin überzeugt, für einen Hit müssen so viele halbwegs zufällige Rahmenbedingungen stimmen, dass es sehr schwer bleiben wird, sie mit Ansage zu produzieren. Das ist zumindest, was manche Hit-Podcasts über sich selbst sagen. 2018 hätten Leute sicher noch irre gelacht, wenn jemand ernsthaft der Überzeugung gewesen wäre, dass der Laberpodcast von einem Virologen zeitweise ein Millionenpublikum erreichen wird.
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Die irrige Suche nach dem einen Podcast-Hit
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Für den zweiten Punkt versuche ich's mal mit einem Bild, das mir selber ausgesprochen gut gefällt, aber nicht zu nerdy ist. Also, für einen ohnehin schon nerdy Newsletter. Zwar könnte ich das hier gleich gut mit Fahrrädern erklären. Aber ich glaube, das Beispiel Kaffee ist für unsere Zwecke hier gerade ein bisschen anschlussfähiger. (Sorry, liebe Craft-Bier- und Rotwein-Fans!)
Niemand steht im Supermarkt vor einem Regal voller Kaffee und sagt: "Die Kaffeeindustrie hat seit Jahren keinen Hit mehr gelandet. Die zehn meistverkauften Kaffees sind seit mehr als sieben Jahren im Sortiment." Natürlich kann ich in jedem Supermarkt irgendwelche Tchibo-Bohnen nehmen, die tatsächlich viel gekauft werden und immer halbwegs trinkbar sind. Die können auch Kaffee-Snobs aushalten, machen sie aber nicht glücklich. Geschmacklich sind das die austauschbaren Promi-Laberpodcasts. Ich kann aber genauso gut den Supermarkt verlassen und eine Tüte Bohnen in einer kleinen Rösterei oder in einem dieser Berliner Kaffee-Hipster-Laden kaufen. Das ist der kleine Podcast für ein sehr spezifisches Publikum, das einen bestimmten Geschmack verfolgen will.
Die kleinen Röstereien, Hipster-Läden und Podcasts wollen oft gar keinen Supermarkt-mäßigen Erfolg in der Breite. Klein, aber oho ist ihr Motto. Viele Kaffee-Nerds wollen auch gar nicht den einen massentauglichen Kaffee, den alle trinken. Viele unterschiedliche Nerds wollen viele unterschiedliche Kaffees und Podcasts. Eine Mehrheit der Kaffeetrinker*innen wiederum will ihren Kaffee auch gar nicht mit einer Feinwage auf die Nachkommastelle genau abwiegen und mit der Stoppuhr kochen. Viele Promilaberpodcast-Fans… und so weiter.
Das alles schließt sich nicht gegenseitig aus und kann gleichzeitig wahr sein.
Die Regeln des Durchschnitts funktionieren für den Massenmarkt, aber nur sehr bedingt für ein persönliches und personalisiertes digitales Medium wie Podcasts. (Siehe: "Meta – Das Ende des Durschnitts" von Dirk von Gehlen aus dem Jahr 2017, als Facebook noch wirklich so hieß.) Obwohl viele kleine Nischen zusammengenommen zwar theoretisch eine Masse ergeben, skaliert das ganze nicht: Ich kann nicht einfach alle Specialty-Kaffees zusammenkippen und hoffen, dass die Mischung am Ende sowohl den Supermarkt-Kund*innen als auch den Kaffee-Snobs schmeckt. Ich kann zwar versuchen (wie Spotify), einfach einen möglichst großen Laden aufzumachen. Wirklich alles anzubieten, vom Supermarktkaffee bis zur Nerd-Espresso, also von den Podcasts von Joe Rogan und den Obamas bis zum kleinen Hobby-Podcast von zwei Kaffeenerds.
Fragt sich nur, welche Kund*innen in diesem Angebot wie klarkommen, sich wohlfühlen, zu Stammkund*innen werden. Fragt mal eure Podcast-Nerds, ob sie lieber im Angebot von Spotify stöbern und die Superkräfte ihres Lieblingspodcatchers benutzen…
Worauf ich hinaus will, ist das eigentliche Problem am Bloomberg-Artikel: Er setzt sich die Spotify-Brille auf und fragt mit Blick auf Podcasts nur in die eine Richtung: "Skaliert das?". Spotify und die anderen Plattformen haben ein massives Interesse daran, mit so wenig Aufwand wie notwendig so viele Menschen wie möglich zu erreichen. Mit dieser Perspektive rechtfertigt sich Spotify auch den 100-Millionen-Dollar-Deal mit Joe Rogan (Tankstellenkaffee, ganz eindeutig – nicht nur Neil Young schmeckt der nicht). Der neue große Laden braucht halt ein prominent platziertes Regal mit einem Angebot, das für viele Kund*innen möglichst verträglich ist. Viel neue Laufkundschaft anzieht – warum das an sich nicht verkehrt ist, habe ich im letzten Newsletter aufgeschrieben.
Bitte nicht falsch verstehen: Ich will keineswegs zwei (alte) Fronten aufmachen, sondern sensibilisieren, wie schwierig es geworden ist, über "die Podcasts" zu sprechen/schreiben. Das Widersprüchliche ist, dass Podcasts sich mittlerweile dermaßen ausdifferenziert haben, dass sie sowohl Züge vom breiten Massenmedium als auch eines fragmentierten Spezialistenmediums in sich tragen. Gleichzeitig.
Diese beiden Strömungen laufen seit vielen Jahren. Mal eher parallel, mal suchen sie den Abstand zueinander und mal die Nähe. Dazu kommen aber dann noch hunderte Strömungen von Formaten, Themen, Subkulturen, die auch unter der Überschrift "Podcast" irgendwie ihr Zuhause gefunden haben. Weswegen die eine Brille, die eine Perspektive auch nicht ausreicht, um das ganze Medium ("podcasting") mit all seinen Anteilhaber*innen zusammenzufassen. Die Sorge, wo der nächste große Hit bleibt und ein Problem mit erfreulich stabilen Podcast-Charts haben aber definitiv nicht alle.
Vielleicht hat einfach der industrielle Podcast-Komplex seit Jahren keinen Hit mehr produziert, weil seine Erwartungen an Reichweiten schneller wachsen als das Publikum. Vielleicht hat der industrielle Podcast-Komplex noch nicht verstanden, dass es nicht jedes Jahr einen neuen Hit geben kann. Auch Dinge, die nicht exponential wachsen, können gut sein. Vielleicht muss der industrielle Podcast-Komplex noch lernen, dass die Logik eines ständigen "Guck mal, hier ist die nächste neue Show, die dich und tausend Andere begeistern wird" einfach nicht nachhaltig ist.
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Dieser Newsletter wird präsentiert von…
… könnte hier stehen. Wird aber nie passieren, keine Sorge. Keine Werbung, auch keine Schleichwerbung, keine Sponsoren. Ja, ich geb's ja zu, das hier ist die schamlose Erinnerung mit dem Holzhammer:
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Ganz in der Tradition der letzten Newsletter-Ausgabe empfehle ich eine etwas ältere Episode eines sehr bekannten Formats. Achtung, nicht ernstgemeinte Trigger-Warnung: Bevor jetzt jemand einen Sehnenriss beim Augenrollen bekommt, weil ich hier jetzt wieder was Englisches (!) und Berühmtes (!!) empfehle: Das This-American-Life-Segment "Made to be broken" ist 24 Minuten lang und jede Sekunde wert. Insbesondere für alle Menschen, die Audio bearbeiten, Sprachaufnahmen schneiden, Gesprächsgäste auswählen, Mikrofone in die Gesichter von Menschen halten. Passt also ganz gut hierher. Für die maximale Wirkung: einfach das Audio starten, nicht großartig vorher lesen!
So viel sei verraten: Selten habe ich Stille und Sprechpausen so gut inszeniert gehört.
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Wie immer, ihr kennt das mittlerweile, eine kleine Bitte vorab: Ich versuche an dieser Stelle sinnvolle Links zu kuratieren und möglichst die Spreu vom Weizen zu trennen. Das ist wirklich zeitaufwendig, weil ich dafür leider immer Spreu UND Weizen lesen muss. Deswegen freue ich mich umso mehr über einen kleinen Hinweis auf den Newsletter, wenn die Links bei Twitter & Co geteilt werden. Coole Links gegen ein bisschen Promo, fairer Deal, oder?
- Wer meinen Kaffee-Vergleich oben doof fand und noch einen richtig langen, richtig wütenden Verriss zum Bloomberg-Artikel lesen möchte, schaut in den ohnehin empfehlenswerten Newsletter "I hear things" von Tom Webster: The Oversimplified Superstring Hit Incubation Theory Of Podcasting
- Für die Freund*innen von Thesen und Vorhersagen (und für alle, die 12 Monate später gerne nochmal nachgucken, wer alles daneben lag):
- Schwer zu verpassen, zur Sicherheit auch hier in der Linkliste: Neil Young hat seine Androhung wahr gemacht und seine Musik von Spotify entfernt, weil Joe Rogan weiterhin von Spotify bezahlt wird und in seinem Spotify-Exklusiv-Podcast reichweitenstark viel Mist erzählt, darunter auch Falschinformationen über Corona und die Corona-Impfung – zusammengefasst bei nzz.ch.
- Ich werde in diesem Newsletter seit Jahren nicht müde, immer wieder die Frage zu stellen: Wie sehr dürfen sich Podcast-Plattformen und -Verzeichnisse dahinter verstecken, dass sie in keinster Weise für die Inhalte der verbreiteten Podcasts verantwortlich sind? In der 'New York Times' geht es wieder einmal um Falschinformationen in Podcasts, dieses Mal rund um den US-Kapitolsturm vor einem Jahr.
- Diskussionswürdiger Punkt: Während die Google-Tochter Youtube mittlerweile aktiver Videos und Youtuber entfernt, sieht Google das bei Google Podcasts anders: "Google has argued that its Podcasts app more closely resembles a search engine than a publishing service because no audio is hosted by the company. A Google spokesman, Farshad Shadloo, said the app simply “crawls and indexes audio content” hosted elsewhere and that they have “policies against recommending podcasts that contain harmful misinformation, including misinformation about the 2020 U.S. elections.”
- Der "Deutsche Podcast Preis" geht in das dritte Jahr und erwartet Einreichungen. Neu in diesem Jahr: Der Publikumspreis wird unterteilt in die vier Subkategorien: Comedy, Lifestyle, Nachrichten & Politik und Wissen. Und was wäre der "Deutsche Podcast Preis" ohne die mittlerweile traditionsreiche Wischi-Waschi-Kommunikation und ohne Definitionsprobleme? Für die Einreichenden heißt es zu den neuen Kategorien: "Beispielsweise wäre ein Podcast zum Thema „Crime“ unter Lifestyle einzuordnen und ein Podcast zu „Psychologie“ unter Wissen." Alles klar, oder?
- Clubhouse ist tot, lang lebe Twitter Spaces. Wie US-Redaktionen mit Twitter Spaces experimentieren, steht bei niemanlab.org.
- Unser aller liebstes Abhör-Gerät, also Gerät, das uns abhört – Amazon Alexa – hat laut Bloomberg Schwierigkeiten, mehr Menschen für sich zu gewinnen. Dabei wurde uns das doch wie Clubhouse mal vollmundig als Zukunft der Audiobranche verkauft?! Nein! Doch! Oh!
- "Bello Collective", der Hörempfehlungs-Newsletter und die Podcast-Kritik-Gemeinschaft, hört auf. Bleibt aber weiterhin eine tolle Stelle zum Stöbern, um sich von Empfehlungen von echten Podcast-Hörer*innen & Kritker*innen leiten zu lassen anstatt von Pressemitteilungen und PR-Stanzen.
- Noch ein würdevoller Abgang zum Abgang: Nach Robert Krulwich hört nun auch Jad Abumrad bei 'Radiolab' auf, womit die 20 Jahre alte Radiosendung/Podcast endgültig in neue Hände (und an bekannte Stimmen) übergeben wird. "It’s the End of an Era for Radiolab", schreibt Nick Quah zurecht bei Vulture
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